Digitalisierung und Gedrucktes – ein Widerspruch?
Wenn man den grossen Trend in der Arbeitswelt, nämlich die rasch fortschreitende Digitalisierung fast aller Branchen, unbesehen auf die Mitarbeiterkommunikation überträgt, sind die Auswirkungen scheinbar klar: Es braucht keine gedruckten Publikationen mehr, die von der Themenfindung bis zur physischen Auslieferung Wochen beanspruchen, Tonnen von Papier benötigen und Informationen verbreiten, die nie mehr geändert werden können. Gedruckt ist gedruckt.
Oberflächlich betrachtet liegt ein Mitarbeitermagazin je länger je mehr quer in einer digitalisierten Landschaft, in der die Kommunikation unaufhörlich und in alle Richtungen fliesst. Vorbei die Zeiten, als ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden sagte, was Sache ist. Dank Blogs und sozialen Medien können die Empfänger Verlautbarungen sekundenschnell in aller Öffentlichkeit hinterfragen, relativieren oder ins Gegenteil verkehren. Jeder Internetnutzer, also auch jeder Mitarbeitende, kann anonym schreiben, was er will, solange er sich an die Gesetze hält oder niemand sein gesetzwidriges Verhalten unterbindet.
Arbeitsplatz weniger wichtig
Es wird noch komplexer, denn «der Mitarbeitende» hat in einer digitalisierten Arbeitswelt ganz verschiedene Profile. Das Spektrum reicht vom Facharbeiter, der fest und vollzeitlich angestellt ist, bis hin zu Quereinsteigern sowie jungen Talenten oder alten Füchsen, die nur ein Teilzeitpensum leisten. Und immer häufiger sind die beteiligten Personen gar keine klassischen Mitarbeitenden mehr, sondern aufgabenbezogene Mitdenker, Mitentwickler, Mitbefähiger, Mitstreiter. Dass sich diese Menschen immer wieder auch physisch treffen, ist für den gemeinsamen Erfolg unabdingbar. Die direkte persönliche Begegnung ist in der Regel nach wie vor die effizienteste Form der Zusammenarbeit und schafft das gegenseitige Vertrauen, das es für das Gelingen eines gemeinsamen Projekts braucht. Aber der physische Arbeitsplatz verliert an Bedeutung.
Maschinen als Teamplayer
Noch radikaler werden sich die Jobprofile durch die Digitalisierung in der Industrie verändern. Die Industrie 4.0 setzt voraus, dass Menschen ihre Arbeit und zusehends auch ihre Denkleistung mit Maschinen teilen. Menschen sind in den Prozessen der Industrie 4.0 als Entwickler, Wissensträger, Auftraggeber, Kontrolleure oder Nutzniesser beteiligt. Sie sind nicht mehr Teil des klassischen Produktionsprozesses. In den cyberphysischen Systemen der Industrie 4.0, in denen Software und Hardware zusammengewachsen sind, können die Maschinen sogar selbständig untereinander kommunizieren. Die Industrie 4.0 stellt eingespielte Produktionsprozesse und Handlungsabläufe auf den Kopf, was an die Kommunikation gegenüber den verschiedenen Stakeholdern höchste Anforderungen stellt.
Ringier versus SBB
Das Unternehmensmagazin «DOMO» von Ringier geht nicht nur an Mitarbeitende, sondern auch an Geschäftspartner, Kunden und Medienschaffende. Es trägt die Medienkompetenz des Hauses nach aussen. Ein Printprodukt sei das beste Medium für langfristige Projekte und Anliegen, Hintergründe und Entwicklungen, meint der Chefredaktor Alejandro Velert. Ein gedrucktes Magazin biete im Gegensatz zu digitalen Lösungen Orientierung: keine lästigen Links, keine Verweise auf weitere Artikel, keine Pop-ups. Mobile sei ein Wunschgedanke, aber Print sei nach wie vor die Realität. Während die Printausgabe im Haus jeweils rasch vergriffen ist, wird die iPad-Version kaum genutzt, und auch die Downloads auf der Ringier-Website halten sich in Grenzen. Bei den SBB sieht man es ganz anders: Eine Umfrage hätte ergeben, dass man auf die Druckversion des internen Magazins «Unterwegs» verzichten könne, da schliesslich – vorbildlich – jeder Mitarbeitende ein von den SBB zur Verfügung gestelltes mobiles Gerät habe. Eines ist sicher: ohne Printkanal weniger Leser. Die erste Ausgabe der SBB-Publikation für Mitarbeitende erschien übrigens 1924. Braucht es also in der digitalisierten Arbeitswelt noch analoge Medien wie Mitarbeiterpublikationen oder Kundenmagazine? Die Antwort ist klar: erst recht! Dieser Schluss ist keinesfalls als eine orthodoxe Empfehlung für «Print only» auszulegen. In den meisten Fällen ist eine intelligente Digitalisierung unverzichtbar.
Publiziert im Magazin «MK Marketing & Kommunikation»